3. Gewerkschaftskonferenz für Frieden sendet klare Signale

Rund 250 Kolleginnen und Kollegen nahmen an der dritten Gewerkschaftskonferenz für den Frieden unter dem Motto „Den Frieden gewinnen, nicht den Krieg“ am 11./12. Juli in Salzgitter teil. Weitere 1300 Teilnehmende verfolgten die Konferenz im Livestream. Große Einigkeit bestand auf der Konferenz darüber, dass die Kriegsgefahr extrem groß ist, dass die Hochrüstung zu Sozialabbau und Armut führen wird, die Militarisierung sich durch alle Bereiche der Gesellschaft zieht und die Gewerkschaften sich stärker in die Friedensbewegung einbringen müssen.

Große Einigkeit auch bei der Ablehnung des Völkermords in Gaza und bei der Aufgabe, die Friedensbewegung und die Solidaritätsbewegung mit dem palästinensischen Volk zusammenzuführen und breitere Bündnisse für den Friedenskampf zu bilden. „Raus aus der Defensive – rein in die Offensive“ – ein Satz, der immer wieder zu hören war, ebenso wie die Betonung der Notwendigkeit der internationalen Vernetzung und des gemeinsamen Kampfes der Arbeiterklassen. In den Pausen war reger Austausch und Vernetzung unter den Teilnehmenden, darunter wesentlich mehr jüngere Menschen als auf den letzten beiden Friedenskonferenzen. Rundum also eine interessante, erfolgreiche, lebendige Konferenz, die mit viel Faktenwissen den vielen Lügen der Herrschenden entgegentrat.

Nicht nur inhaltlich, auch von der Teilnehmerzahl entwickeln sich diese Friedenskonferenzen sehr positiv. Waren in Hanau 2023 rund 250 Live dabei und weitere 200 Teilnehmende im Livestream, waren 2024 in Stuttgart knapp 200 vor Ort und ca. 800 online zugeschaltet. In Salzgitter waren rund 250 Kollegen im Gewerkschaftshaus und im Livestream waren am Freitag über 1300, am Samstag ca. 800. Insgesamt konnte die Teilnehmerzahl in 2 Jahren verdreifacht werden.

In der Eröffnungsrede der Konferenz betonte Ulrike Eifler, eine der Organisatorinnen und IGM-Sekretärin, dass die unbegrenzten Rüstungsausgaben Deutschland über lange Zeit total verändern würde. Sie nannte viele Beispiele von der militaristischen Durchdringung unserer Gesellschaft und die Abrichtung schon im Kindesalter wie Wehrkundeunterricht in Schulen oder Kinderferienprogramme der Bundeswehr. Sie nannte den Krieg als schärfste Form des Konfliktes zwischen Kapital und Arbeit und dass es die Arbeiter sind, die auf den Schlachtfeldern verheizt werden, nicht die Reichen. Sie beendete die Eröffnung mit dem Satz des ehemaligen Bezirksleiter der IGM Baden-Württemberg Willi Bleicher: „Wer Frieden will, muss gegen den Krieg kämpfen.“

Matthias Wilhelm, 1. Bevollmächtigter der IGM Salzgitter-Peine, wies darauf hin, dass die Gewerkschaften der Kern in der Friedensbewegung sein müssen. Er betonte die Wichtigkeit, die Angriffe auf Arbeits- und Lebensbedingungen abzuwehren, als notwendiger Teil des Kampfes gegen die Kriegsvorbereitungen. „Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts“, so sein Fazit. Für ihn gehören „nie wieder Krieg“ und „nie wieder Faschismus“ zusammen. Gute Ziele reichen für ihn nicht aus, es braucht Ideen, Anregungen und Verabredungen, um den Frieden zu gewinnen.

Heinz Bierbaum, Vorsitzender der Rosa-Luxemburg-Stiftung, zitierte Rosa Luxemburg – für sie war Krieg immer pure Barbarei. Er wandte sich gegen die weltweiten Kriege und Konflikte und betonte, dass die Gewerkschaften dem Frieden und der Abrüstung verpflichtet sind. Militarisierung der Gesellschaft ist immer zu Lasten der Lohnabhängigen. Spielräume werden geringer und Tarifpolitik gerät unter Druck. Rüstungskonversion ist für ihn wichtig. Er verwies auf die zahlreichen Arbeitskreise, die es früher dazu in der IGM gab und nannte die positiven Initiativen bei Lucas Aerospace und Krupp Kiel. Die Konferenz soll dazu dienen, gesellschaftlich wirksam zu werden gegen die mentale Kriegsvorbereitung.

Im Grußwort von „Rheinmetall entwaffnen“ wurde die Arbeit der Organisation vorgestellt und mehr Ungehorsam gegen die Kriegsvorbereitungen eingefordert. Sie machten auf ihr Camp Ende August in Köln aufmerksam.

Das erste Podium am Freitag war zur „Zeitenwende – Die Verschiebung der globalen Machtverhältnisse“ – mit einem Aufschlag von Ingar Solty, Referent für Friedens- und Sicherheitspolitik, RLS. Er stellte die 4 Systemkrisen dar – die 2 Weltkriege, den Neoliberalismus und die aktuelle Krise, die 2007 begann – sowie die 6 Dimensionen der jetzigen Krise. Dazu gehört u.a. die Krise der Weltordnung, die nach 1945 maßgeblich von der USA geschaffen wurde, der Abstieg der USA und der Aufstieg Chinas, die ökologische Krise, die Krise des sozialen Zusammenhalts sowie die Krise der bürgerlichen Demokratie. In der Diskussion betonte Solty, dass kein Angriff Russlands auf die NATO-Staaten drohe. Das könnte und wollte Russland nicht. Russland gehe es um eine Landverbindung zur Krim und um einen Regime-Change in der Ukraine, um das Land nicht der NATO zu überlassen. Allen die Angst haben, dass ihre Lebensweise möglicherweise bedroht sei, rät er „dann müsst ihr entspannen“. „Frieden ist in unserem Interesse.“ Und mit Krieg „zieht ihr Euch selber den Boden unter allem weg, das ihr in diesem System noch für einigermaßen lebenswert haltet.“

Das zweite Podium war zum Thema „Kanonen UND Butter? Wie wirkt sich die Aufrüstung auf Konjunktur und Sozialstaat aus?“ mit einem Aufschlag von Dierk Hirschel, ver.di Chefökonom. Er betonte gleich zu Beginn, dass man mit der gigantischen Summe für die Aufrüstung, die zukünftig ausgegeben werden soll, „die gesamte Armut dieser ganzen Welt beseitigen könnte.“ Sehr detailliert entlarvte er die 2 großen Lügen, die derzeit vehement wiederholt werden: Investitionen in die Rüstung würden für Wachstum sorgen und trotz starker Aufrüstung könnte der Sozialstaates erhalten werden. Für ihn sind Militärausgaben aus ökonomischer Sicht keine Investitionen, sondern „totes Kapital“, die keine Erträge abwerfen und zu keiner wirtschaftlichen Entwicklung führen. Der Multiplikator bei Rüstungsausgaben liegt bei rund 0,5 Prozent. Also ein Euro in Rüstung bedeutet 50 Cent Wachstum. Bei Infrastrukturinvestitionen beträgt der Multiplikator 1,5 und bei Bildung liegt er bei drei. Rüstung zieht Ressourcen aus produktiven Bereichen ab. Deutlich auch seine Aussage, dass jeder Euro für die Rüstung bei Kita, Pflege, Krankenhäuser u.a. fehlt. Auch weil der Schuldendienst für die hohen Militärausgaben Milliarden verschlingen würde, allein bis 2029 100 Mrd. Euro Schulden- und Zinstilgung bei einem Bundeshaushalt von zur Zeit 470 Mrd. In der Diskussion wurden verschiedene Aktivitäten und Ziele vorgestellt. So von Mark Ellmann, GEW Bayern die Münchner Initiative „Soziales rauf – Rüstung runter“ und die kritischen Positionen der GEW zur Militarisierung. Auch Vorschläge zur Vergesellschaftung von Betrieben, Ablehnung von Privatisierung öffentlicher Infrastruktur und die Abwehr der Angriffe auf das Streikrecht wurde diskutiert.

Das Highlight des Tages war dann das Jugendpodium „Keine Zukunft im Atomzeitalter! Jugend aktiv gegen Krise und Krieg“. Andrea Hornung, SDAJ-Vorsitzende, bezog klar Stellung gegen Kriegseinsätze und Rüstungsexporte. Keine Waffen nach Palästina heiße Leben retten. Das Wichtige bei Kämpfen sei das gemeinsame Spüren der eigenen Kraft. Dort entstehe mehr Bewusstsein als durch Aufklärung. Sie sprach sich klar gegen die Wehrpflicht aus, gegen den militärischen Drill, der der Jugend ein Lebensjahr nimmt und warb für die Unterschriftensammlung gegen die Wehrpflicht. Hendrik Torbecke, Jugendvertreter und in der IGM-Jugend aktiv, bringt die sinkenden Ausbildungszahlen in Zusammenhang zur „Zeitenwende“ und wie die Angriffe auf die Arbeiterjugend mit der Militarisierung zusammenhängen. Er kritisiert die IGM, dass sie zu wenig gegen die Militarisierung macht. Nur am 1. September aktiv zu sein, reicht ihm nicht. Er wünscht sich mehr friedenspolitisches Engagement von seiner Gewerkschaft. Auch bei der Bildungsarbeit muss die Friedensfrage eine Rolle spielen. Yusuf As von der Didf-Jugend erläutert, dass alles miteinander verbunden ist – Rassismus, Nationalismus, Klima, Soziales, Ausbildungsplatzmangel, Krieg und Frieden und alles ein systemisches Problem ist. Die Solidarität mit Palästina nennt er einen harten Kampf und verurteilt die Kriminalisierung der Soli-Bewegung. Betroffen von der Kriminalisierung sind viele MigrantInnen. Cem Ince, MdB Die Linke, findet wichtig, dass der Widerstand gegen Waffenlieferungen an Israel aufgebaut werden muss, ebenso wie gegen die Wehrpflicht. Er betont die Wichtigkeit der internationalen Solidarität.

Am Samstag startete die Konferenz mit dem Thema „Die Zeitenwende ist ein Frontalangriff auf die Interessen der Beschäftigten.“ Ulrike Eifler stellte den Frontalangriff auf die lohnabhängigen Klassen auf 6 Ebenen dar. Der Sozialabbau und die Umverteilung zugunsten der Reichen steigen und führen zu steigender Armut und Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen. Verschleiert werden soll dies durch das sogenannte Sondervermögen und der Behauptung, dieses verhindere den Sozialabbau. Das Verhältnis von Kapital und Arbeit verändert sich. Durch Deindustrialisierung entsteht ein gesellschaftliches Klima des Verzichts, das den Forderungen des Kapitals nach Lohnverzicht Auftrieb gibt. Die Tarifpolitik kommt dadurch unter Druck. So haben wir in 2024 das Lohnniveau von 2016. Alles kommt unter den Vorbehalt, was ist nützlich für die Militarisierung. Als Beispiele wurden im Bildungsbereich die Besuche der Bundeswehr in den Schulen und Weitwurf mit Handgranatenattrappen benannt. Im Gesundheitswesen die Einschränkung der Versorgung der Bürger zugunsten der Versorgung von Militärangehörigen und der Bau von unterirdischen Intensivstationen. Eine weitere Ebene ist die Ökologische. Kriege bedeutet Zerstörung der Welt, noch mehr CO2 und damit noch schnellere Erderwärmung. Die Demokratie wird immer weiter eingeschränkt, Notstandsgesetze wie das Arbeitssicherstellungsgesetz wieder aus der Schublade geholt und damit der Arbeitszwang erhöht und die Mitbestimmung ausgehöhlt. Die sechste Ebene ist die gestiegene Eskalationsgefahr – der Rückfall in die Barbarei wie Gaza zeigt. Als Alternative, so Ulrike Eifler, braucht es eine Gesellschaft, in der die Klassenwidersprüche aufgehoben werden. Doris Heinemann-Brooks von den ver.di Senioren Hamburg ging auf den Abschluss im Öffentlichen Dienst ein und nannte es ein „vergiftetes Schlichtungsangebot“. Insbesondere die Arbeitszeiterhöhungsmöglichkeiten und die Übernahme der Azubis nur bei richtiger politischer Gesinnung standen im Mittelpunkt ihrer Kritik. Ebenso die schlechte Lage der Rentner. Über 20 % der Rentnerinnen sind armutsgefährdet, 38 Prozent arbeiten trotz Rente – weil sie nicht zum Leben reicht. Der Journalist Sebastian Friedrich stellte dar, wie schwierig die Situation für Journalisten ist, wenn sie nicht dem Mainstream folgen. Sie können ihre Jobs verlieren oder als freie Mitarbeiter keine Aufträge mehr erhalten bzw. die Artikel werden nicht abgenommen. Jan Dieren, MdB und SPD, hat als einziger seiner Partei im März gegen das Aufrüstungspaket gestimmt. Er weist darauf hin, dass dieser Etat allen folgenden Regierungen der nächsten Jahre zur Verfügung steht, auch AfD-Regierungen und sieht dies als eine große Gefahr. In der Diskussion wird die Kriegsgefahr – die Zusteuerung auf einen Weltkrieg nochmals herausgearbeitet und klar gemacht, dass wir jetzt von der Analyse zur Meuterei übergehen müssen. Dass wir die Menschen für die Vision einer anderen Gesellschaft gewinnen müssen.

Nach einem Arbeitsgruppenblock ging es nach der Mittagspause ins Abschlussplenum „Weil es um alles geht: Gegen Kriegstüchtigkeit und Raketenstationierung in Deutschland und Europa“. Petra Erler, ehemals Staatssekretärin schilderte die Erfahrungen der Friedensbewegung der 80er Jahre und die Eskalationsgefahren damals und wie nahe man damals einem Atomkrieg war. Özlem Demirel, MdEP Die Linke berichtete über die Vorbereitungen der EU auf die Neuaufteilung der Welt. Militarisierung hat für Demirel 2 Seiten – Expansion nach außen und Repression nach innen. Krieg und Frieden muss als Klassenfrage betrachtet werden, und erfordert deshalb Vernetzung, Protest und gemeinsames Handel und zwar international. Sie forderte, dass die militärische Unterstützung von Israel durch Deutschland und die USA sofort beendet wird. Für Markus Hulm, 2. Bevollmächtigter der IGM Salzgitter-Peine ist es wichtig, dass die Debatte mit den Beschäftigten gemeinsam geführt wird, sie beteiligt und einbezogen werden, um so den Rechten den Boden zu entziehen. Es ist ihm aus eigenen Erfahrungen heraus wichtig, sich für Frieden einzusetzen, wo immer wir können. Ole Nymoen, Podcaster wendet sich gegen die Wehrpflicht und schildert, wie die sozialen Medien junge Menschen radikalisieren. Er möchte sich an Gewerkschaften und junge Leute richten, dass sie den Wehrdienst verweigern. Ralf Stegner, MdB SPD und Mitbegründer des Friedensmanifests ist gegen Kriege aus humanistischen Gründen. Jeder hat das Recht in Frieden zu leben – ohne Hass, Zerstörung, Angst und Tod. Für ihn ist wichtig, wieder Klarheit zu schaffen, was Krieg bedeutet.

Fazit und Konsens in der Abschlussdebatte waren eindeutig: Wir müssen die Friedensbewegung zu einer breiten gesellschaftlichen Kraft machen, wir müssen die Debatten in die Betriebe tragen und mit den Kolleginnen und Kollegen ins Gespräch kommen. Die Gewerkschaften müssen Teil und Kern der Friedensbewegung werden. Dazu können wir die Dynamik der Jugend und die Erfahrungen der Älteren nutzen.

Thorsten Stelzner hat die Konferenz mit seinen kulturellen Beiträgen zum Thema Frieden bereichert. Seine Gedichte, Lieder und Geschichten haben bewegt und Kraft und Mut gegeben. Die Broschüre „friedenspolitische Gewerkschaftsbeschlüsse“, herausgegeben von einigen DKP-Mitgliedern und anderen aktiven Friedensfreunden, hat großen Anklang gefunden und wurde gerne mitgenommen.

Christa Hourani